Letzte Meile oder letzter Schwachsinn? Mit dem E-Scooter durch Köln (Update 28.05.2021)Lesedauer 4 Min.
Update 28.05.2021: Ein neuer ist in der Stadt – und der hat es in sich!
Inzwischen gibt es einige neue Anbieter in Köln. Bei einem lohnt sich der Blick aber ganz besonders: Bolt.
Warum? Wegen des absoluten Kampfpreises von 0,05 € pro Minute. Außerdem fällt im Moment keine Aktivierungsgebühr an, die sich bei den anderen Anbietern auf 1 Euro beläuft.
Rechne mal: Du kannst eine Stunde mit dem E-Scooter fahren und zahlst dafür gerade mal 3 Euro. Da dürfte bei vielen Strecken auch der ÖPNV kaum noch mitkommen.
Nach ein paar Fahrten mit den E-Rollern von Bolt lässt sich festhalten: Sie sind tendenziell eine Spur langsamer als die von Tier oder Lime und fahren zwischen 19 und 20 km/h. Die Konkurrenten sind 1-2 km/h schneller. Was Fahreigenschaften, Federung und Bremsen angeht, gefallen mir die E-Scooter von Bolt aber sogar besser.
Man darf gespannt sein, wie sich die Preise der anderen Anbieter entwickeln bzw. ob sich die Preise bei Bolt bald nach oben entwickeln werden!
Wenn du noch nie mit einem E-Scooter unterwegs warst, lies einfach weiter. In dem Artikel findest du wertvolle Hinweise.
Die E-Scooter erobern Köln
Seit Anfang Juli sind sie da: die E-Scooter. Wenn man den Apps der großen Anbieter Lime, Circ und Tier glauben darf, stehen alleine in Köln schon mehrere Hundert elektrobetriebene Tretroller.
Verkehrsminister Andreas Scheuer und andere Befürworter versprechen sich bekanntermaßen Großes von den Kleinen: stärkere Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Entlastung der Städte von immer mehr Autos, Schutz der Umwelt.
Aber wie sieht das Ganze in der Praxis aus? Ich war in den letzten Tagen ca. 50 km quer durch Köln mit E-Rollern unterwegs und möchte dir hier ein paar Eindrücke geben. Am Ende des Artikels findest du auch noch ein paar Tipps zur Anmietung und zum Fahren.
Wie steht es um das Angebot an E-Scootern?
Bei allen Anbietern bietet sich beim Blick auf die App zumindest im Moment fast immer dasselbe Bild: im engsten Innenstadtbereich wimmelt es von Rollern. Aber etwas weiter am Stadtrand sieht es schlecht aus. Hier ein Screenshot aus der App von Lime:
Leider sind die Standorte der E-Scooter auch noch nicht in Google Maps integriert. Für viele amerikanische Städte gibt es diese Funktion für Lime beispielsweise schon. Im Augenblick bleibt nur der Wechsel zwischen Google Maps und der Map des Scooter-Anbieters, um sich eine Route zusammenzustellen.
Wie fährt es sich mit einem E-Scooter?
Einerseits recht einfach. Abstoßen, Gashebel betätigen – und blitzschnell ist man bei 20 km/h.
Allerdings gibt es ein paar Probleme:
- Das Ganze ist aufgrund der kleinen Räder eine wackelige Angelegenheit. Besonders kritisch wird es, wenn man über Kopfsteinpflaster fährt oder Straßen mit Schlaglöchern hat
- Für Deutschland fast unglaublich: Es gibt keine Möglichkeit, anderen Verkehrsteilnehmern zu signalisieren, dass man Abbiegen will. Blinker gibt es nicht, und man kann auch nicht einhändig steuern und mit der anderen Hand ein Handzeichen geben. Wenn etwas die Fahrt mit einem E-Scooter richtig gefährlich machen kann, dann das
- Die Bremsen sind nicht grandios, aber meiner Meinung nach für diese Geschwindigkeit ausreichend
- Eine Federung ist praktisch nicht vorhanden. Schlaglöcher spürt man ordentlich im Kreuz
Die Qualität der Roller der verschiedenen Anbieter ist übrigens sehr unterschiedlich: Lime liegt meiner Meinung nach deutlich hinter Tier und Circ (schlechtere Bremsen und Federung, schwammigeres Fahrgefühl).
Genug der Kritik. Es bleibt nämlich festzuhalten: Das Ganze macht richtig Laune. Geräuschlos beschleunigen und entspannt auf einem breiten Radweg durch die Stadt rollen, ist ein tolles Gefühl. Kein Stress bei der Parkplatzsuche, kein verschwitztes Ankommen am Arbeitsplatz.
Und man ist, traurig aber wahr, nicht wesentlich langsamer als mit dem Auto oder dem Fahrrad. Wer es nicht glaubt, sollte bei seiner nächsten Fahrt durch die eine der deutschen Großstädte einmal Google Maps verwenden und sich am Fahrtende die erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit ansehen.
Umweltschutz? Fraglich
Die E-Scooter erwecken ja das Gefühl, umweltfreundlich unterwegs zu sein. Kein Verbrennungsmotor, geringes Gewicht, klingt im ersten Moment überzeugend. Was allerdings Fragen aufwirft:
“In einem Antrag für eine Lizenz in Portland nannte der Anbieter Lime einmal die Zahl von vier Monaten als Lebensdauer seiner Roller. Gunnar Froh bezweifelt das – nach seinen Erfahrungen liegt diese eher bei drei Monaten. Andere Insider gehen sogar von nur acht Wochen aus.” (Quelle: https://www.stern.de/auto/e-scooter–hype-um-elektrotretroller-bringt-jede-menge-elektroschrott-8654792.html)
Anders gesagt: Nach zwei bis vier Monaten hat man einige Kilo Elektroschrott, die aufbereitet und/oder entsorgt werden müssen.
Ich bin gespannt, wie langfristige Untersuchungen zu diesem Thema aussehen werden.
Was kostet der Spaß?
In Köln hatten anfangs alle Anbieter im Moment dasselbe Preismodell. Die Freischaltung kostete 1 €, jede Fahrminute 0,15 €. Lime hat Stand August 2019 den Preis wie in anderen Städten auf 0,20 € pro Minute erhöht, andere Anbieter nicht. So oder so, kommen da schnell einige Euro zusammen. Hier ein Beispiel eine meiner Fahrten:
Tipps zum Ausleihen
Ich schreibe hier keine erschöpfende Anleitung zum Download der App oder dem Mietvorgang. Das ist wirklich einfach und idiotensicher gemacht. Je nach Anbieter kann man per Paypal oder Kreditkarte zahlen. Was mich speziell beim Anbieter Lime stört: Hier muss man ein Guthaben aufladen. Heißt im Umkehrschluss: Man hat immer “totes Kapital” in der App hängen. Das ist bei anderen Anbietern kundenfreundlicher gelöst.
Hier meine Tipps:
- Lade dir die Apps aller Anbieter herunter und erstelle in jeder ein Profil So ist die Chance höher, einen Roller zu finden.
- Suche im Internet nach Gutscheinen, zum Beispiel mit Suchbegriffen wie “Lime/Tier/Circ promo code” o. ä. Hier kann man den einen oder anderen Euro sparen.
- Plane für deine Fahrten etwas “Suchzeit” ein. Gehe möglichst an Orte, an denen mehrere Roller in der App auftauchen; einige Nutzer berichten, dass die Karten nicht immer ganz aktuell sind, sodass Roller angezeigt werden, die nicht da sind. Das ist mir bisher allerdings nicht passiert.
Tipps zum Fahren
Auch wenn das Fahren an sich nicht sonderlich anspruchsvoll ist, muss man sich an die Eigenheiten der Roller ein wenig gewöhnen. Daher würde ich meine ersten Erfahrungen nicht gerade an einem Morgen während der Stoßzeit sammeln. Die bisherige Anzahl an Unfällen, die meistens von den Scooter-Fahrern verursacht wurden, spricht in diesem Zusammenhang eine deutliche Sprache (hier einige Zahlen aus anderen Ländern)
Hier die Tipps:
- Außerhalb der Stoßzeiten fahren, zumindest anfangs
- 20 km/h nicht unterschätzen
- Die Bremsen des Rollers nicht überschätzen; direkt nach dem Losfahren einen Bremstest machen (ich hatte schon Roller mit schwachen Bremens, das merkt man lieber nicht erst, wenn es darauf ankommt)
- Vorsicht beim Abbiegen, du kannst kein Handzeichen geben
- Übe, langsam zu fahren, um deine Balance zu trainieren
- Auch wenn pro Minute abgerechnet wird: Lass dir Zeit!
Mein persönliches Fazit
Ob man mit den elektrischen Tretrollern wirklich messbare Veränderungen zum Verkehrsaufkommen und der Umweltverschmutzung in den Städten erreichen wird? Ich habe meine Zweifel. Zum einen denke ich, dass eine Menge zusätzlicher Spaßfahrten gemacht werden, die eher mehr als weniger Verkehr erzeugen.
Außerdem wird bei Kälte, Nässe und Schnee wohl kaum jemand mehr auf einen Roller umsteigen.
Die Umweltbilanz (und Profitabilität der Anbieter) wird, wie oben schon gesagt, auch durch den Verschleiß der Roller beeinflusst. Hier muss man ein dickes Fragezeichen hinter den Sinn der E-Scooter setzen.
Last not least, ist das Fahren alles andere als ungefährlich und sicher nicht für jeden eine Alternative.
Ich werde die E-Scooter in Zukunft sicherlich aber sicherlich öfter nutzen. Sie sind eine praktische Ergänzung, um in der Stadt mobil zu sein. Außerdem macht das Fahren eine Menge Spaß.