Mälzer hochprozentigLesedauer 2 Min.

Mälzer trinkt in der Mittagspause grundsätzlich nichts.

Außer Schnaps.

Aber nie mehr als drei.

Außer an Montagen, da können es auch mal vier oder fünf werden.

Man muss das verstehen. Der Ausblick auf eine neue Arbeitswoche lässt sich manchmal einfach nicht anders ertragen. Mälzer arbeitet im mittleren Management eines mittelgroßen Unternehmens und leitet ein mittelgroßes Team.  Passend dazu ist er von mittlerer Größe und Intelligenz.

Nur sein Körpergewicht und sein Alkoholkonsum haben sich anders entwickelt.

Kein Wunder, denn Mälzer ist eingekeilt zwischen psychopathischen Vorgesetzten und neurotischen Mitarbeitern.  Das Sandwich des mittleren Managements schmeckt eben nicht jedem.
Feuer von oben, Burn-out von unten, das kocht auch die stärkste Führungskraft irgendwann weich.

Eigentlich eine Tragödie. Denn Mälzer hat immer davon geträumt, aus Sicht seiner Mitarbeiter ein freundlicher und kompetenter Vorgesetzter und aus der der Geschäftsführung eine erfolgreicher Abteilungsleiter zu sein. Nachdem er sich aber eingestehen musste, dass er beide Ziele ad acta legen muss, hat er sich aufs Trinken verlegt.

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Den Druck seiner Vorgesetzten gibt er inzwischen mehr oder weniger ungefiltert an seine Mitarbeiter weiter.
Denn Mälzer hat es endgültig satt, immer den Prellbock zu spielen.

Was dabei an schlechtem Gewissen über seine Charakterschwäche übrig bleibt, spült er mittags mit ein paar kräftigen Schlucken hinunter.

Natürlich achtet er peinlich genau darauf, dass weder seine Vorgesetzen noch seine Mitarbeiter etwas davon mitbekommen.
Den Triumph gönnt er ihnen nicht.  Wäre ja noch schöner, wenn jemand erführe, wie er sich Mittag für Mittag Mut antrinken muss, um den restlichen Arbeitstag ohne Nervenzusammenbruch durchzustehen.

Daher kaut Mälzer regelmäßig Kaugummi, putzt sich nach der Mittagspause auf der Herrentoilette des Unternehmens die Zähne und achtet peinlich genau darauf, in Meetings nach dem Mittagessen niemanden direkt anzusprechen.

Durch all diese Vorsichtsmaßnahmen fühlt er sich sicher.

Bis ihn Anna Hertgens, seine neue – und wie Mälzer unumwunden zugeben muss: ziemlich hinreißende – Teamassistentin überredet, ab jetzt jeden Monat einmal mit dem gesamten Team den Lunch im nahegelegenen Restaurant „Eulenspiegel“ einzunehmen.

Aus bekannten Gründen ist Mälzers Interesse an Teambuilding-Maßnahmen zwar inzwischen relativ begrenzt.
Das an Eva Hertgens aber nicht.

Er stimmt scheinbar begeistert zu.

Und so kommt es, dass Mälzer nur wenige Tage später mit dem gesamten Team – inklusive einer strahlenden Frau Hertgens – an einem großen Tisch im „Eulenspiegel“ Platz genommen hat. Bevor aber auch nur einer der Mitarbeiter die Speisekarte zur Hand nehmen kann, eilt schon der Kellner mit einem freundlichen „Für Sie bestimmt wie immer, Herr Mälzer“ herbei.

Lecker sehen sie aus, die drei randvollen Schnapsgläser, die jetzt vor Mälzer auf dem Tisch stehen.


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