Verwirrung ist der erste Schritt zur ErkenntnisLesedauer 2 Min.
Mal ehrlich: Außer bei einem Abend mit David Copperfield oder den Ehrlich Brothers ist Verwirrung eigentlich kein Zustand, in dem wir uns sonderlich gern befinden. In so einem Moment haben wir das Gefühl, dass man uns den sicheren Boden unserer Realität unter den Füßen weggezogen hat. Etwas läuft nicht nach Plan. Das fühlt sich häufig nicht sonderlich komfortabel an.
Verwirrung als Antrieb
Aber häufig ist Verwirrung eine hilfreiche Motivation – und ein guter Anfang, um zu einer neuen Einsicht zu kommen. Verwirrung kitzelt unsere Neugier und stachelt unseren Ehrgeiz an. Wir beginnen, Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln und uns mit einem Thema ausgiebig zu beschäftigen. Vielleicht kommen wir auf Ideen, die wir nie zuvor hatten oder probieren Dinge aus, die wir noch nie versucht haben. Wir stellen Querverbindungen her, die uns bis jetzt entgangen sind. Und wenn wir dann schließlich eine neue Erkenntnis gewinnen, ist das ein gutes Gefühl.
Verwirrung genießen
Wenn du also das nächste Mal in eine Situation kommst, die dich verwirrt, versuche einmal nicht, die üblichen Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Flucht, o. ä. anzuwenden oder dich zu ärgern. Stattdessen lehne dich einen Moment zurück und genieße den Moment:
- Du bist aus den immer gleichen Routinen ausgebrochen.
- Es gibt die Chance, etwas Neues zu lernen, neue Erfahrungen zu machen.
- Du wirst bald mit einem Gefühl der Klarheit auf diesen Moment zurückschauen.
(Für die NLPler: Beachte die Reframings (Punkt 1 und 2) und die Vorannahme (Punkt 3). Hilfreich, wenn du mit jemanden zu tun hast, der verwirrt und von diesem Gefühl frustriert ist.)
Ein Beispiel aus der Praxis: Frank’s comedy hour
Als ich Seminar beim Vater der Provokativen Therapie, Frank Farrelly, an einem Seminar teilnahm, blickte er scharf in die Runde: “Why are you all here today? What do you want to take away? You! Young man! Why are you here?” Er deutete auch mich (ich war damals noch etwas jünger) und alle Teilnehmer starrten mich an. Ich zuckte innerlich zusammen und versuchte die Situation mit Humor zu entschärfen. Nutzte Frank Humor nicht auch als Ressource in seinem Ansatz. Eben. Ich lächelte: “I was told I would laugh a lot here.” Einige Teilnehmer lächelten ebenfalls und nickten zustimmend. Franks Blick dagegen verfinsterte sich noch mehr und er donnerte: “Young man, this is not Frank’s comedy hour. We are doing serious therapy here.”
Ich war verwirrt, fühlte mich angegriffen und hätte mich recht gerne unter meinem Stuhl verkrochen. Die Antwort, die ich im ersten Moment für sehr clever gehalten hatte, kam mir nun reichlich dumm vor.
Von Verwirrung zur Erkenntnis
Nachdem sich die erste Welle an schlechten Gefühlen gelegt hatte, begann ich nachzudenken. Und mir wurden zwei Dinge klar.
- Viele Leute, die Frank Farrelly zum ersten Mal arbeiten sehen, halten seinen Ansatz vielleicht nicht für “ernsthafte” Therapie, weil er sehr viel mit Humor arbeitet. Wie gezielt er diesen einsetzt, wird einem erst klar, wenn man sich genauer mit seinem Ansatz beschäftigt. Wahrscheinlich hatte er eine Antwort wie meine schon öfter gehört und war darüber nicht glücklich. Seine Reaktion war wohl außerdem nicht nur an mich, sondern auch an die anderen Teilnehmer des Seminars gerichtet.
- Ich hatte Humor angewendet, um die Situation, die ich, Stichwort Präsentierteller, als unangenehm und bedrohlich empfand, zu entschärfen bzw. zu kontrollieren. Hier war mir etwas über meine eigenen Verhaltens- und Abwehrmuster in für mich schwierigen Situationen klar geworden.
Rückblickend bin ich über diese Erfahrung, auch wenn sie damals unangenehm war, froh.
Wann warst du das letzte Mal so richtig verwirrt? Und wo hat es dich hingeführt?