Haben Sie heute schon gePLURVt? Die falsche Darstellung wissenschaftlicher TatsachenLesedauer 4 Min.

Kennst du PLURV? Nein, das ist kein neuer Superhelden-Comic.

Ob Klimawandel oder Coronakrise – häufige bedienen sich die Leugner wissenschaftlicher Tatsachen bestimmter Kommunikationstechniken, die sich unter dem Kürzel “PLURV” zusammenfassen lassen. Hier ein Überblick mit konkreten Beispielen. Einen guten Artikel mit einer Zusammenfassung findest du außerdem hier.

Das “P” in PLURV: Pseudo-Experten

Man kann sich natürlich fragen, ob man von einem prominenten Vegan-Koch wirklich Unterstützung bei der politischen Meinungsbildung bekommen möchte. Mit seinen Rückenbeschwerden geht man ja auch nicht unbedingt zum Metzger seines Vertrauens (es sei denn, sie sind wirklich, wirklich schlimm).

Schwieriger wird die Entscheidung aber, wenn Personen die zumeist virtuelle Bühne betreten, die auf den ersten Blick als Wissenschaftler gelten können, von der eigentlichen Materie aber wenig bis keine Fachkenntnisse haben.

Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht wichtig, sich einmal klar zu machen, wie spezialisiert die Wissenschaft im Allgemeinen inzwischen arbeitet.

Beispiel Christian Drosten: Er wies einmal im Podcast “Coronavirus-Update”, als es um Fragen bakterieller Infektionen ging, darauf hin, dass er dazu leider nicht viel zu sagen könne, weil er als Virologe von Bakterien wenig Ahnung habe und kein Fachmann sei.

Jetzt stelle man sich vor: Derselbe Virologe tritt auf und behauptet im Brustton der Überzeugung, als Virologe könne er natürlich auch etwas über Bakterien sagen, das sei ja ein recht ähnliches Gebiet.

Hättest du seine Expertise bezweifelt? Wahrscheinlich nicht.

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Ähnlich Karl Lauterbach, der einmal auf eine Spezialfrage zur Virologie antwortete, dass er Epidemiologe sei und nicht über das nötige Fachwissen für eine kompetente Antwort verfüge.

So viel Bescheidenheit würde man sich mal auf der Seite der Leugner wünschen, denn da sieht es meistens völlig anders aus: Da reden dann Geologen statt Ozeanforscher über die Meereserwärmung und Allgemeinärzte statt Epidemiologen über Ausbreitungsmodelle der Pandemie.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Niemand behauptet, dass solche Leute nichts zur Debatte beitragen können. Aber wenn sie sich komplett gegen die Position der meisten seriösen Fachleute auf dem jeweiligen Gebiet stellen, ist Vorsicht geboten.

Das “L” in PLURV: Logik-Fehler

Logik ist nicht jedermanns Sache, und nicht jeder Fehlschluss ist einfach zu erkennen.

Klassiker sind hier:

  • Ad hominem-Attacke: Man kann Karl Lauterbach mögen oder nicht. Das ist für die Bewertung seiner Argumente zur Pandemiebekämpfung aber gänzlich irrelevant.
  • Blendgranaten: Kurz gesagt: Wenn dir jemand eine sehr einfache Lösung auf ein sehr komplexes Problem anbietet, solltest du misstrauisch werden. Beispiel Corona: Man kann nicht “die Risikogruppen” vom Rest der Bevölkerung abschirmen und alle anderen weiterleben lassen wie vorher. Warum? Weil nur 15 Prozent der über 80-jährigen in betreuten Einrichtungen wohnen. Außerdem müssten man zuerst den Begriff der Risikogruppe eindeutig definieren
  • Übermäßige Vereinfachungen oder Dichotomien: Entweder wir machen alles auf, oder wir haben einen Lockdown für immer. Entweder wir schützen das Klima, oder wir retten die Wirtschaft. Häufig werden solche Äußerungen für ihre Klarheit und Prägnanz gelobt. Zur Problemlösung tragen sie aber nichts bei.
  • Irreführende Analogie: So, wie wir gelernt haben, mit dem HIV-Virus/der Grippe/dem FC Bayern als ewigem Deutschen Meister zu leben, müssen wir auch lernen, mit dem Coronavirus zu leben. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Das “U” in PLURV: Unerfüllbare Erwartungen

Hierbei geht es um Forderungen an die Wissenschaft, die nicht erfüllbar (und letztlich auch nicht wünschenswert) sind, also z. B. den Anspruch, dass die Wissenschaft letztgültige Wahrheiten liefern, geschlossen und “mit einer Stimme” auftreten soll usw.

Wissenschaft lebt ja gerade von der Vorläufigkeit von Wissen, von der Diskussion, vom Aufstellen und Falsifizieren von Hypothesen. Kurz gesagt also: vom Streit.

Das mag für die Politik und die restliche Gesellschaft während einer Pandemie eher ungemütlich sein. Es ist aber nun mal eine Basis wissenschaftlichen Arbeitens – besonders in einem Feld, in dem ständig neue Erkenntnisse dazukommen.

Beispiel AstraZeneca-Impfstoff: Als zu wenig Informationen hinsichtlich der Wirksamkeit bei Senioren vorlagen, gab die Impfkommission den Impfstoff nur für Jüngere frei. Als ausreichend Informationen vorlagen, durften ab dann auch Senioren geimpft werden. Als sich im weiteren Verlauf zeigte, dass Jüngere ein Thromboserisiko hatten, änderte man die Impfempfehlung erneut und empfahl den Impfstoff nur noch für Ältere.

Soweit, so einleuchtend. Der Vorwurf an die Wissenschaft, das sei ein unerträgliches Hin und Her, ist in diesem Zusammenhang geradezu grotesk.

Besonders paradox wird es natürlich, wenn die Wissenschaft als “Scientific Community” dann doch mal einen Wissensstand als ziemlich gesichert kommuniziert und dann von den Leugnern den Vorwurf bekommt, es handle sich um eine Art “Gleichschaltung”, die keine abweichenden Meinungen zulasse.

Das “R” in PLURV: Rosinen-Pickerei

Einen Klassiker kennen wir wohl alle: die Anekdote vom rauchenden Großvater, der über neunzig Jahre alt geworden ist. Frei nach dem Motto: Einen gibt es immer.

Die Wahrscheinlichkeit, als rauchender Großvater gesund alt zu werden, ist statistisch gesehen natürlich schlechter.

Und so gibt es eben auch einzelne, die durch die Impfungen gegen das Coronavirus schwere Nebenwirkungen erleiden werden. Das ist aber natürlich kein Argument, das Impfen einzustellen.

Beim Thema Klimawandel dürfte das bekannteste Beispiel wohl die (absichtliche) Verwechslung von Klima und Wetter sein. Das klingt dann häufig so: “Hey, es schneit (Wetter = Einzelereignis). War wohl nichts mit Klimawandel (Klima = langfristiger Trend).”

Das “V” in PLURV: Verschwörungserzählungen

Es scheint für viele Menschen verführerisch zu sein, für die Ereignisse unserer komplexen und unsicheren Welt eine einfache Erklärung – und meistens noch einen Schuldigen – zu bekommen. So sind es dann die Juden, Bill Gates, Angela Merkel oder Chemtrails,  durch die sich plötzlich alles erklären lässt. Für dieses Gefühl der Sicherheit und Überlegenheit nehmen die Anhänger dann auch noch die absurdesten Erklärungen innerhalb der Verschwörungserzählung in Kauf, siehe beispielsweise QAnon.

Einer der schönsten Widersprüche im Zusammenhang mit solchen Verschwörungsmythen besteht aber häufig darin, dass sich die Anhänger häufig nicht richtig entscheiden können, ob die herrschende Klasse aus kriminellen Masterminds oder unfähigen Dilettanten besteht.

Ist Frau Merkel nun also die heimliche Diktatorin Deutschlands, die im Alleingang die Bundesrepublik und die CDU vernichtet hat, und jetzt – ein meisterhafter Schachzug – eine Grünenpolitikerin ihrer Gnaden zur Bundeskanzlerin krönt, um dem verelendenden Land den Rest zu geben und eine Dauerdiktatur der Frauen einzuleiten?

Oder ist sie die Stümperin, die Millionen Flüchtlinge naiv ins Land gelassen hat, mit ihrem Abschied von Atomenergie und Kohle unsere deutsche Wirtschaft blindwütig in den Abgrund reitet und nicht einmal in der Lage war, Annegret Kramp-Karrenbauer als ihre Nachfolgerin und nächste Kanzlerin zu installieren? Von ihrem missglückten Schachzug “Stümper auf EU” mit Ursula von der Leyen ganz zu schweigen.

Beides gleichzeitig scheint ja eher schwierig.

Aber nicht immer sind Verschwörungserzählungen so absurd und leicht erkennbar wie beispielsweise die über Bill Gates und die angeblichen Mikrochips im Impfstoff.

Manchmal kann man sich im ersten Moment nicht ganz sicher sein, ob an einer Sache nicht doch etwas dran ist.

Denn wusstest du zum Beispiel, dass die Bundesregierung zu Beginn der Pandemie im Januar 2020 noch mehrere Zehntausend Beatmungsgeräte als Nothilfe nach China geschickt hat? Es herrschte ja recht lange die naive Überzeugung vor, dass Corona nicht nach Deutschland kommen würde. Noch am 28.01.2020 rief Spahn ja zur Gelassenheit auf: “”Das Einzige, was mich wirklich beunruhigt, sind die Verschwörungstheorien aller Art”, erklärte Spahn mit Blick auf viele Falschinformationen zu der Lungenkrankheit, die im Internet kursieren.”
Die Firma Drägerwerk, einer der größten Produzenten von Beatmungsgeräten weltweit, hat das später natürlich genauso dementiert wie Jens Spahn selbst.
Klingt unglaublich, oder? Im Darknet tauchen aber immer mehr geleakte E-Mails,  Gesprächsprotokolle und Geheimabsprachen dazu auf. Alle Fakten und den aktuellen Stand findest du unter http://www.beatmungsgate.de/.
Sollte die Seite tot sein, kannst du dir wohl denken, warum.

Vielleicht sollten wir einfach alle mehr Verschwörungserzählungen in die Welt setzen. So sorgen wir dafür, dass keine von ihnen mehr eine relevante Zahl von Anhängern erhält.

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