„Unsere Mitarbeiter sollen Unternehmer im Unternehmen sein!“ – Wirklich?Lesedauer 2 Min.

In einer meiner ersten Positionen als Produktmanager sagte mir mein damaliger Chef in einem Feedbackgespräch: „Du musst die Produktkategorie mehr sehen, als wäre sie Dein Unternehmen, Deine eigene kleine Firma.“

Mir rutschte heraus: „Wenn das meine kleine Firma und meine Produkte und wären, dann würde ich nicht kontinuierlich die Qualität runterschrauben, um die Gewinnziele im laufenden Quartal zu erreichen. Ich würde mich eher fragen, was dann in fünf Jahren von meiner kleinen Firma noch übrig wäre.“

Okay, ich war noch jung und hatte das Spiel der großen Konzerne vielleicht noch nicht so ganz verstanden – beziehungsweise den Druck, den das Management von den Aktionären und anderen Fremdkapitalgebern Quartal für Quartal bekommt, um Wachstum und Rendite zu steigern – oder wenigstens eines von beiden.

Auch war mir damals noch nicht ganz klar, wie oft die meisten Angestellten in großen Konzernen die Position oder den Arbeitgeber wechseln. Was in fünf Jahren passiert, ist dann für das persönliche Weiterkommen in der Tat irrelevant.

Aber es bleibt doch die Frage, ob Unternehmen wirklich bereit wären, die Konsequenzen zu tragen, wenn sich ihre Mitarbeiter wie Unternehmer im Unternehmen verhalten würden.

Das Ganze ist auch unter dem englischen Begriff des Intrapreneurship bekannt.

Unternehmer im Unternehmen: Bedeutung für Firmen

Denn der häufig unausgesprochene Wunsch der Unternehmen bei einer solchen Forderung ist ja ungefähr der folgende: Der Mitarbeiter (oder natürlich auch die Mitarbeiterin) setzt sich überdurchschnittlich stark für das Unternehmen ein. Er leistet ohne zu murren Überstunden für „sein“ Unternehmen. Trifft Entscheidungen, die durchaus zu seinem Nachteil sein können, so lange sie dem großen Ganzen, also dem Erfolg „seines“ Unternehmens dienen. Natürlich hat er auch die externen Shareholder bzw. Stakeholder immer klar im Blick und richtet seine Handlungen konsequent nach ihren Forderungen aus.

Aber sind Unternehmen auch bereit, das Risiko einzugehen, ihren Mitarbeitern entsprechende Handlungs- und Entscheidungsspielräume einzuräumen? Keine Rückfrage mehr bei Vorgesetzten, ob beispielsweise eine bestimmte Investition getätigt werden soll oder nicht. Ob ein Dienstleister gewählt oder ersetzt wird. Oder ob ein Mitarbeiter eingestellt oder gekündigt wird. Abstimmung mit Experten im Unternehmen, um optimale Entscheidungen zu treffen: ja. Legitimation einer Entscheidung durch einen hierarchisch übergeordneten Vorgesetzten: nein.

Klick ruhig. Ich bin bloß Werbung :-)

Natürlich übertragen Unternehmen Budget-, Projekt- und Personalverantwortung an ihre Mitarbeiter. Aber mir ist noch keine Firmen begegnet, bei der der Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen wirklich das letzte Wort hat. Das würde aber eine Identifikation im Sinne eines “Unternehmers im Unternehmen” voraussetzen: Entscheidungsfreiheit.

Ein „Ich glaube, da muss ich meinen Chef cc setzen, sonst fühlt er sich übergangen“, passt da nicht hinein.

Unternehmer im Unternehmen: Bedeutung für Mitarbeiter (und Mitarbeiterinnen)

Gefordert wird ein größerer Entscheidungsspielraum von Mitarbeitern ja immer gern. Und kaum einer, der nicht die verkrusteten und hierarchischen Strukturen in seinem Unternehmen kritisiert.

Sind die Unternehmen also nur zu feige? Fehlt es nur am richtigen (Nicht-)Führungsverständnis?

Vielleicht, aber genauso müssen sich dann Arbeitnehmer fragen lassen: Sind sie wirklich bereit, wie Unternehmer zu denken und zu handeln? Entsprechende Verantwortung zu übernehmen und die damit verbundenen Opfer zu bringen?

Also:

  • Unbezahlte Überstunden
  • Praktisch pausenlose Erreichbarkeit
  • Wochenendarbeit
  • Kaum Urlaub
  • Persönliches finanzielles Risiko
  • Druck von Kunden, Lieferanten, Stakeholdern.

Und nicht zu vergesessen die eine oder andere schlaflose Nacht, wenn Kunden abspringen oder Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen.

Als Selbständiger weiß ich ganz gut, wovon ich spreche.

Ein „Ich glaube, da muss ich meinen Chef cc setzen, dann fühle ich mich mit meiner Entscheidung nicht so allein“, passt da nicht hinein.

An dieser Stelle scheuen dann wohl doch viele das Risiko und besinnen sich auf die Vorteile des Angestelltendaseins: Man ist zwar nur ein mehr oder weniger großes Rädchen im Getriebe, am Ende aber doch nicht für alles und jedes verantwortlich. Und das kann mit Blick auf den nahenden Feierabend, das Wochenende oder den dreiwöchigen Urlaub im Sommer ein verdammt angenehmes Gefühl sein.

So bleibt es wohl dabei: “Der Rock des Beamten ist eng aber warm”, sagen die einen. “Ja, genau wie die Schlinge des Henkers”, sagen die anderen.

Wie hat dir dieser Artikel gefallen?