SMARTE Ziele – ein Auslaufmodell?Lesedauer 3 Min.

Eine kleine Geschichte zum Thema SMARTE Ziele. Auf die Frage an den CEO eines internationalen Konzerns, wie er denn die Ziele der Mitarbeiter festlegen würde, hörte ich einmal die Antwort: “Ich lege die Ziele immer so ambitioniert fest, dass die Mitarbeiter sie nicht erreichen. Dann strecken sie sich weiter. Am Ende kommt dann mehr heraus, als wenn ich niedrigere Ziele ausgegeben hätte.” Realistische Ziele waren offenbar für diesen CEO kein geeignetes Führungsinstrument. Fragt sich, was dabei langfristig herauskommt.

Zweistelliges Wachstum – und die Realität

Sicherlich bist du auch schon mit zweistelligen Wachstumszielen konfrontiert worden. “Double-digit growth” ist in vielen Konzernen inzwischen die klassische Erwartungshaltung, denen sich die Mitarbeiter gegenüber sehen. Dazu eine einfach Faustregel, die sog. 72er-Regel:

72 / Wachstumsrate in Prozent = Zeitraum in Jahren für eine Verdoppelung

Bedeutet also: Wenn z.B. die Bevölkerung eines Landes pro Jahr um drei Prozent wächst, hat sie sich nach ca. 25 Jahren verdoppelt.

Aber wie sieht es bei zweistelligen Wachstumsraten aus? Gehen wir einmal von einem Wachstumsziel von 15 Prozent pro Jahr aus. Dann müsste sich z. B. dein Umsatz, die Anzahl deiner Kunden oder dein Gewinn in weniger als fünf Jahren verdoppeln. Wie realistisch ist das? Und wie viele solcher Zyklen hintereinander sind denkbar, bis deine gesamte Zielgruppe dein Produkt oder deine Dienstleistung gekauft haben und die komplette Konkurrenz verschwunden sein muss? Gut, dass die Tendenz zum Dritthandy geht, möchte man mit etwas Galgenhumor anmerken.

Mit einem innovativen Produkt, zu Beginn kleinem Marktanteil und großer Zielgruppe mag derartiges Wachstum eine Weile lang durchaus möglich sein. Aber in reiferen Märkten mit harter Konkurrenz und wenig differenzierenden Produkten und Marken?

Halten wir fest: In sehr vielen Fällen, in denen die Losung “zweistelliges Wachstum” ausgegeben wird, handelt es sich nicht um ein realistisches Ziel – und schon gar nicht um ein nachhaltiges. Das kann bei längerem Nachdenken ein Hinweis auf die Halbwertszeit mancher Vorstände großer Konzerne sein. Wer für zwei bis drei Jahre plant, bevor er die Golfplätze der Welt erkundet, tut sich mit einem solchen Ziel natürlich leichter, als jemand, der in dem jeweiligen Unternehmen noch die nächsten 15 Jahre arbeiten möchte oder muss.

SMARTE Ziele: Theorie und Praxis

Es ist sehr wahrscheinlich, dass du in Workshops, Seminaren und Weiterbildungen schon dem Prinzip der “SMARTen” Ziele begegnet bist. An sich eine gute Formel, um Ziele zu definieren:

Klick ruhig. Ich bin bloß Werbung :-)
  • Specific:                      Ist das Ziel klar und eindeutig formuliert?
  • Measurable:               Ist die Zielerreichung eindeutig messbar?
  • Achievable:                Ist das Ziel erreichbar?
  • Relevant:                    Handelt es sich um ein sinnvolles Ziel?
  • Time bound:              Ist ein Zeitpunkt für die Zielerreichung festgelegt?

In der Praxis tauchen häufig zwei Probleme auf:

  1. Es handelt sich um “weiche” Ziele, die sich nur mit größerem Aufwand spezifizieren und messen lassen (z. B. Steigerung der Mitarbeitermotivation), oder bei denen das Erreichen nur schwer auf den einzelnen Mitarbeiter zuzurechnen ist (z. B. bessere Einarbeitung neuer Mitarbeiter).
  2. Die Ziele sind zwar spezifisch, messbar und terminiert, wie das oben erwähnte Wachstumsziel. Allerdings hapert es bei der Frage nach dem Sinn und der Erreichbarkeit.

Besonders im zweiten Fall ist davon auszugehen, dass die Motivation der Mitarbeiter über kurz oder lang leidet.

Unrealistische Ziele erkennen

Woran merkst du, dass dein Unternehmen unrealistische Ziele setzt? Achte auf folgende Punkte:

  • Gibt es im gesamten Unternehmen oder in Teilbereichen einen hohen Mitarbeiterverschleiß, also Kündigungen, Burn-out-Fälle, hohe Unzufriedenheit in Mitarbeiterbefragungen usw.?
  • Reagieren Mitarbeiter auf die an sie oder ihr Team kommunizierten Ziele mit Wut, Zynismus oder Gleichgültigkeit?
  • Werden die festgelegten Ziele im Arbeitsalltag, also zum Beispiel beim Setzen von Prioritäten, nicht als Referenz herangezogen?

Wenn ja, sind das deutliche Hinweise darauf, dass Mitarbeiter gerade auf nicht SMARTE Ziele reagieren.

Was nun?

Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, gibt es durchaus aber Möglichkeiten, SMARTE Ziele zu setzen:

  • Stichwort Zielvereinbarung: Einbinden der Mitarbeiter beim Erarbeiten der Ziele, um Akzeptanz und Motivation zu erhöhen
  • Ziele solange nicht setzen, wie sie nicht SMARTE Ziele  sind. Auch wenn beispielsweise eine bessere Einarbeitung der Mitarbeiter sinnvoll ist, hat es wenig Sinn, diese als Ziel auszugeben, ohne sich Gedanken über die Erfolgsmessung, den Zeitrahmen usw. zu machen
  • Ziele erklären und begründen können. Wer ein zweistelliges Wachstumsziel ausgibt, muss einen realistischen und nachhaltigen Business Case vorlegen können, um sich den Rückhalt derjenigen zu sichern, die er für die Zielerreichung braucht.
  • Langfristige und nachhaltige Ziele formulieren, die nicht nur das Was und das Wie viel beantworten, sondern auch das Warum. Ein sehr lesenswertes Buch ist in diesem Zusammenhang “Start with why” bzw. auf Deutsch”Frag immer erst: warum” von Simon Sinek, das es z. B. bei Amazon zu kaufen gibt.

Diese Vorschläge mögen nach Binsenweisheiten klingen. Aber setzt dein Unternehmen oder deine Organisation sie auch um?

 

 

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